News: Sucht-Experten zur Aktionswoche Alkohol


Das Feierabend-Bier mit Kollegen, der Rotwein im Italien-Urlaub oder der Verdauungsschnaps nach deftigem Essen – Alkohol ist in unserer Kultur allgegenwärtig. Doch ab wann wird der Genuss zum gesundheitlichen Risiko? Wie Alkohol auf unser Gehirn wirkt und warum regelmäßige Abstinenz ratsam ist, erklären zwei Experten aus dem Klinikum Nürnberg im Rahmen der Aktionswoche Alkohol.

„Von einer liebgewonnenen Lebenslüge müssen sich alle Genusstrinker verabschieden: Alkoholkonsum ist auch schon in kleinen Dosen gesundheitsschädlich“, erklärte Prof. Thomas Hillemacher, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie* im Klinikum Nürnberg in seinem Fachvortrag bei der gestrigen IHK-Veranstaltung „KEIN Alkohol macht mobil – bei Arbeit Sport und Spiel“, an der unter anderem die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler teilnahm.


Trotz dieser aktuellen Studienergebnisse rief Hillemacher zu Gelassenheit auf. Die bisherigen Richtwerte für einen unbedenklichen Alkoholkonsum seien weiterhin hilfreich. Danach sollten Männer nicht mehr als 24 Gramm Alkohol pro Tag zu sich nehmen, Frauen die Hälfte. Das entspricht in etwa einem großen (0,6 Liter) bzw. einem kleinen (0,3 Liter) Bier. „Außerdem sollte man mindestens zwei alkoholfreie Tage in der Woche einlegen, um eine Gewöhnung zu vermeiden.“ 

Alkohol-Pausen reduzieren Risiko für Folgeschäden

Wie wichtig Trinkpausen für den Körper sind, betont auch Prof. Dr. Alexander Dechêne, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 6, Schwerpunkte Gastroenterologie, Endokrinologie*: „Das Risiko, eine Leberzirrhose zu bekommen, ist bei denen am höchsten, die ohne Pause trinken, jeden Tag. Das Risiko scheint bei denen etwas niedriger zu sein, die zwar auch viel trinken, aber Quartalstrinker sind, also etwa nur drei Tage in der Woche oder nur am Wochenende.“

Warum es trotzdem so vielen Menschen schwerfällt, weniger zu trinken, liegt an der Wirkung des Alkohols auf unser Gehirn. Wie bei allen anderen Süchten auch, entsteht die Alkoholabhängigkeit durch die Dopamin-Ausschüttung, die unser Belohnungssystem aktiviert und ein Glücksgefühl auslöst. In einem späteren Stadium der Sucht überwiegt die Vermeidung von Suchtsymptomen wie Unruhe, Schweißausbrüchen oder Kopfschmerzen. 

Über vier Millionen Deutsche haben bedenklichen Alkoholkonsum

Neben diesen körperlichen Phänomenen spielen auch psychologische Faktoren bei der Suchtentwicklung eine Rolle, wie Hillemacher betont: „Oft konditioniert man sich unbewusst auf den Alkoholkonsum, beispielsweise, wenn man zum Schäufele immer ein Bier trinkt. Auf diese Weise verbindet unser Gehirn eine bestimmte Aktivität immer mit dem Trinken.“

Besonders in Deutschland sind zusätzlich gesellschaftliche Einflüsse relevant, sagt Hillemacher: „Bei uns ist Alkohol im internationalen Vergleich sehr günstig, fast rund um die Uhr verfügbar und durch Werbung omnipräsent. Studien haben gezeigt, dass dies einen direkten Einfluss auf den durchschnittlichen Alkoholkonsum hat.“

Laut Schätzungen sind in Deutschland rund 1,5 bis 2 Millionen Menschen alkoholabhängig, von denen nur etwa jeder Zehnte professionelle Hilfe in Anspruch nimmt. Weitere 2 Millionen Menschen haben einen bedenkliches Trinkverhalten. In beiden Gruppen sind Männer deutlich mehr vertreten als Frauen.

Das Klinikum Nürnberg bietet mit der Suchtambulanz (Standort Nord, Haus 19) ein niedrigschwelliges Angebot für ein erstes Gespräch zum Alkoholkonsum. Zusätzlich besteht eine spezialisierte Station für einen qualifizierten Alkoholentzug sowie eine enge Kooperation mit dem Krankenhaus Altdorf, das ebenfalls einen qualifizierten Alkoholentzug anbietet.

*Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität

Kommentare