Online-Befragung des
Klinikums Nürnberg und des ZI Mannheim zum Konsumverhalten während des
Shutdowns
37 Prozent trinken mehr Alkohol als vorher
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Prof. Dr. Thomas Hillemacher; Quelle: Klinikum Nürnberg
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Stress durch die unsichtbare Bedrohungslage, Kurzarbeit
und geschlossene KiTas – bei vielen Menschen lagen während des Shutdowns im
Zuge der Corona-Pandemie die Nerven blank. In einer Online-Befragung gingen
deshalb Prof. Dr. Thomas Hillemacher, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie am Klinikum Nürnberg* und seinem Kollegen Prof. Dr. Falk Kiefer
von der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für
Seelische Gesundheit Mannheim den eventuellen Auswirkungen auf das
Konsumverhalten den Grund.
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Dr. Ekaterini Georgiadou; Quelle: Rudi Ott
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Schon aus früheren Epidemien ist bekannt, dass Stress und
Ängste den Konsum von Alkohol und Tabak fördern sowie Suchtverhalten
intensivieren kann. Das bestätigten auch Zahlen der Gesellschaft für
Konsumforschung, wonach in den ersten Wochen des Shutdowns die Verkaufszahlen
bei Alkohol um rund 6 Prozent gestiegen seien. „Ob das nur Hamsterkäufe waren
oder schon gestiegener Konsum, lässt sich aber aus diesen Zahlen nicht
ableiten“, erläutert Prof. Dr. Thomas Hillemacher.
Rege Teilnahme
Das ZI Mannheim und die Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie im Klinikum Nürnberg riefen deshalb über verschiedene Medien und
soziale Netzwerke zur anonymen Online-Befragung auf. Die Beteiligung war rege:
Rund 3.200 Teilnehmern beantworteten die Fragen der Forscher zu ihren Konsumgewohnheiten
vor und während des Shutdowns. Komplett ausgewertet wurden bisher die Angaben
von rund zwei Dritteln der Teilnehmer. Dabei standen nicht nur Alkohol und
Tabak im Fokus, sondern auch sogenannter stoffungebundener, also etwa
Spielsucht, Kaufsucht oder Medienkonsum.
„Alle Bevölkerungsgruppen gut vertreten“
Repräsentativ ist die Befragung trotz hoher Beteiligung
nicht. „Wir wollten möglichst schnell reagieren und die Daten erheben. Das war
nur online möglich. Deshalb haben wir nur Teilnehmer erreicht, die im Internet
aktiv sind“, so Psychologin Dr. Ekaterini Georgiadou, die die Befragung mit
ausgewertet hat. Hillemacher ergänzt: „Trotz dieser Einschränkung waren alle
Bevölkerungsgruppen gut vertreten.“
Steigerung im Alkohol- und Tabak-Konsum
Daher lassen bereits die Ergebnisse der ersten Auswertungen
gute Rückschlüsse zu: 37 Prozent dieser Gruppe gaben an, während des Shutdowns
mehr als vorher zu trinken. 28 Prozent der Teilnehmer waren Raucher, davon
gaben über 40 Prozent der Teilnehmer eine Steigerung zu Protokoll.
Aus der Befragung wird außerdem deutlich, dass Teilnehmer
mit geringerer Schulbildung und höherem, subjektiven Stressempfinden vermehrt
zu Alkohol und Tabak griffen. „Das erfüllt uns mit Sorge, da ein Teil der
Menschen ihre geänderten Konsummuster nach dem Shutdowns vielleicht nicht
wieder zurückregulieren wird“, so Hillemacher über die Gefahren. Es bestehe
immer das Risiko, dass sich eine Abhängigkeit entwickle. Auch biete höhere
Alkoholkonsum in Kombination mit erhöhtem Stress und geringer Bildung ein
erhöhtes Aggressionspotenzial – und damit ein höheres Risiko für häusliche
Gewalt.
Prävention muss im Zentrum stehen
Vor diesem Hintergrund sprechen Hillemacher und Georgiadou
sich für ein durchdachtes Beratungs- und Präventionskonzept aus – besonders im
Hinblick auf eine zweite Welle. Niederschwellige Telefon- und Online-Beratungen
für Betroffene können, so Hillemacher, hier eine gut erreichbare Hilfe sein.
Dafür votiert auch EU-Abgeordnete und ehemalige Bundes-Drogenbeauftragte
Marlene Mortler: „Prävention ist eine Daueraufgabe – in normalen und besonders
in Krisenzeiten.“
Um zusätzlich zu den Ergebnissen der ersten Studie Schlüsse
auf längerfristige Verhaltensänderungen durch die Krise ziehen zu können, ist
im Herbst eine zweite Studie geplant.
*Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen
Privatuniversität im Klinikum Nürnberg
Link zur Studie: https://www.aerzteblatt.de/archiv/214451/Alkohol-und-Rauchen-Die-COVID-19-Pandemie-als-idealer-Naehrboden-fuer-Suechte
Auch DER SPIEGEL hat über unsere Studie berichtet. Hier können Sie den Bericht online lesen.
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Auch DER SPIEGEL hat über unsere Studie berichtet. Hier können Sie den Bericht online lesen.
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