Frauengesundheit im Blick - Prof. Dr. med. Cosima Brucker im persönlichen Interview





Prof. Dr. med. Cosima Brucker, Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg, hat den Bayerischen Verdienstorden erhalten. Mitte März überreichte Ministerpräsident Markus Söder die hohe Auszeichnung  in der Münchner Residenz. Im Gespräch erzählt Prof. Dr. Cosima Brucker, was sie daran freut, warum Frauengesundheit ihr Herzensthema ist und warum sie auch nach 17 Jahren noch gerne am Klinikum Nürnberg arbeitet.
Prof. Dr. med. Cosima Brucker leitet die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg. 

Zunächst herzlichen Glückwunsch, Frau Prof. Brucker. Nur 2000 Menschen in Bayern erhalten den Bayerischen Verdienstorden, man muss vorgeschlagen werden. Waren Sie überrascht und wissen Sie, wer Sie nominiert hat?

Ich weiß es nicht sicher, ich habe aber eine Ahnung, doch darüber möchte ich nicht sprechen. Es war, denke ich, jemand, der in meiner Klinik medizinisch betreut wurde und wohl sehr zufrieden war. Natürlich war ich überrascht, plötzlich kam da im Oktober 2021 ein Brief aus feinem Büttenpapier und da stand schwarz auf weiß, dass ich den Bayerischen Verdienstorden bekomme. Wenn man das so liest, ist das ist schon ein besonderer Moment. Ich bin stolz, dass ich die Auszeichnung als Ärztliche Leitung der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg bekommen habe, also für meine berufliche Tätigkeit, die ich sehr liebe. Aber sie gebührt eigentlich nicht mir allein, sondern auch meinem Team, ohne das all die Leistungen ja nicht zu erbringen wären.

Sie sind seit 2005 Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg. Ein Fulltime – Job und ihr Traumjob?

Unbedingt. Ich wollte schon als kleines Mädchen Ärztin werden. Damals hatte eine Bekannte meiner Eltern Brustkrebs. Ich wusste nicht, was das ist. Meine Mutter erklärte mir, Krebs könne einen Menschen töten. Ich habe mir vorgestellt, dass der Krebs in der Brust der Frau sitzt und sie auffrisst. Da habe ich beschlossen, dass ich solchen Frauen helfen will.

Sie hätten sich nach dem Studium auch mit einer Frauenarzt-Praxis niederlassen können. Stattdessen war ihr Ziel das Krankenhaus. Warum?

Der Klinikbetrieb, das ist meines, das wusste ich schon sehr früh. Ich habe niemals überlegt, einen anderen Weg zu gehen. In so einem großen Haus wie dem Klinikum Nürnberg hat man zudem alle Möglichkeiten, auch operativ. Die Chirurgie hat mich sehr interessiert, eigentlich wollte ich Chirurgin werden. Aber das war damals noch sehr schwierig für Frauen.

Das müssen Sie erklären

Es gab einfach noch viele Vorbehalte. Schon während der Facharztausbildung war es so, dass die männlichen Kollegen in den OP durften und ich in den Kreissaal geschickt wurde. Nach meiner Dissertation hatte ich einen ersten Anlauf genommen, mich an einer Universitätsklinik in der Gynäkologie zu bewerben. Aber als Frau hatte ich da keine Chance gegenüber den männlichen Bewerbern. Erst nachdem ich mehrere Jahre im Ausland geforscht hatte, wurde ich zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Nachdem ich mich 1997 in Gynäkologie und Geburtshilfe habilitiert habe, wurde ich als C3-Professorin an die Universitäts-Frauenklinik Ulm berufen. Dort konnte ich als Oberärztin dann eine chirurgische Weiterbildung machen. Später war ich dann Geschäftsführende Oberärztin am Uniklinikum in Ulm, bis sich 2005 die Chance ergab, als Ärztliche Leitung die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg zu übernehmen. Der Weg war also nicht leicht. Ich habe ihn aber nie bereut. Ich wollte immer dort arbeiten, wo die Herausforderungen am größten sind.

Ist die gläserne Decke der Grund, warum es bis heute so wenige Chefärztinnen gibt? Oder scheuen viele Frauen den doch sehr fordernden Beruf?

Beides ist sicher ein Thema, auch wenn sich die Zeiten mittlerweile deutlich geändert haben. Früher gab es fast nur Männer in verantwortlichen Positionen, viele haben Frauen bestimmte Tätigkeiten einfach nicht zugetraut. Heute sind Frauen in der Medizin nicht nur selbstverständlich, sondern auch hoch willkommen, auch weil es immer weniger Männer gibt, die den Arztberuf ergreifen wollen. Insofern haben sie es leichter. Lange Jahre war es am Krankenhaus ein echtes Problem, eine medizinische Karriere mit Familie zu vereinbaren, insbesondere mit Kindern. Es gab keine Teilzeitmodelle und keine Kinderbetreuung. Wenn eine Ärztin während ihrer ersten Stelle, die meist befristet war, ein Kind bekam, wurde ihr Vertrag nicht verlängert. Frauen, auch ich, mussten deshalb auf vieles verzichten, um ihren Weg zu gehen. Das hat sich glücklicherweise geändert. Wir sind froh, wenn die Frauen nach der Familienpause zu uns in die Klink zurückkommen und unterstützen sie, wo es geht. Das ist auch eigennützig: Schließlich haben wir in ihre Ausbildung investiert und brauchen sie. Dennoch ist es so, dass auch immer wieder Frauen nicht zurückkommen, da für sie die Doppelbelastung dann doch zu groß ist.

Wie sieht die Verteilung in ihrer Klinik aus?

Derzeit sind im Kollegium rund zwei Drittel der Mitarbeitenden weiblich, ein Drittel ist männlich. Es ist also umgekehrt zu früher, es fehlen die Männer. Glücklicherweise haben wir in meiner Klinik eine operativ-onkologische Ausrichtung, das weckt auch das Interesse von männlichen Bewerbern, so dass aktuell in der Gynäkologie wieder mehr männliche Kollegen arbeiten. Es werden seit Jahren aber insgesamt immer weniger männliche Bewerber.

Sie sprechen die Medizin an. Die Geburtshilfe am Klinikum verzeichnet seit Jahren steigenden Zahlen und auch als onkologisches Zentrum und in der innovativen Beckenbodenchirurgie hat sich ihre Klinik einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Was macht das Portfolio aus und wohin wird es sich weiterentwickeln?

Seit ich die Klinik leite, hat sich die Zahl der Geburten von 2000 auf fast 4000 erhöht, das ist natürlich ein großer Erfolg für das Team der Geburtshilfe, das mit meinem Kollegen Dr. Wolfgang Köhler seit vielen Jahren einen ganz tollen Geburtshelfer und Pränataldiagnostiker an der Spitze hat. In der Gynäkologie sind wir ganz vorne dabei, was die robotische Chirurgie betrifft, das ist ein absolutes Steckenpferd von mir, das ich in den nächsten Jahren noch voranbringen will. Doch nicht nur bei Tumoren, auch im Bereich der Beckenbodenchirurgie arbeiten wir seit Jahren sehr häufig minimal-Invasiv mit tollen Ergebnissen, die Frauen sind selbst nach komplexen Eingriffen schnell wieder fit und haben deutlich weniger Nachbeschwerden als früher.  Für mich ist es auch nach tausenden Eingriffen noch eine Herausforderung, es immer noch besser zu machen.

Seit zwei Jahren arbeiten Sie mit einer komplett neuen OP-Methode, dem sogenannten UPS. Können Sie kurz erklären, wo sie angewandt wird und welche Vorteile Sie hat?

UPS steht für unilaterale pectineale Fixation und ist eine minimal-invasive Operation zur Korrektur der Beckenbodensenkung. Wir haben diesen Eingriff gemeinsam mit dem Leiter der operativen Gynäkologie, Herrn Prof. Bolovis etabliert. Der Eingriff wird meist mit dem daVinci OP-Roboter durchgeführt und kann die normale Anatomie des Beckenbodens mit wenig Aufwand und ohne Verwendung von Netzmaterial wiederherstellen. Der Eingriff wird die Beckenbodenchirurgie in Deutschland grundlegend verändern.

Und dann planen Sie noch ein besonderes Projekt, das Patientinnen die Chance geben soll, nach einer komplizierten OP schneller wieder in ihr häusliches Umfeld zurückzukehren. Können Sie dazu schon ein oder zwei Sätze sagen?

Wir möchten die Rahmenbedingungen eines stationären Aufenthalts an die Bedürfnisse der einzelnen Patientin besser anpassen. Aufgrund der neuen schonenden OP-Methoden, wie zum Beispiel die robotische Chirurgie, sowie der ausgezeichneten perioperativen Bedingungen können Patientinnen heute oft früher nach Hause, als es in unserem starren System vorgesehen ist. Daher setze ich mich auf allen Ebenen dafür ein, dass die Medizin in Deutschland für Frauen individueller und flexibler wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Mehr Informationen zum Angebot der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg gibt es unter  https://m.klinikum-nuernberg.de/stationaere-angebote/klinik-fuer-frauenheilkunde-und-geburtshilfe-schwerpunkt/

 

 

 

 

 

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