Prof. Dr. med. Cosima Brucker, Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg, hat den Bayerischen Verdienstorden erhalten. Mitte März überreichte Ministerpräsident Markus Söder die hohe Auszeichnung in der Münchner Residenz. Im Gespräch erzählt Prof. Dr. Cosima Brucker, was sie daran freut, warum Frauengesundheit ihr Herzensthema ist und warum sie auch nach 17 Jahren noch gerne am Klinikum Nürnberg arbeitet.
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Prof. Dr. med. Cosima Brucker leitet die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg. |
Zunächst herzlichen
Glückwunsch, Frau Prof. Brucker. Nur 2000 Menschen in Bayern erhalten den
Bayerischen Verdienstorden, man muss vorgeschlagen werden. Waren Sie überrascht
und wissen Sie, wer Sie nominiert hat?
Sie sind seit 2005 Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg. Ein Fulltime – Job und ihr Traumjob?
Unbedingt. Ich wollte schon als kleines Mädchen Ärztin
werden. Damals hatte eine Bekannte meiner Eltern Brustkrebs. Ich wusste nicht,
was das ist. Meine Mutter erklärte mir, Krebs könne einen Menschen töten. Ich
habe mir vorgestellt, dass der Krebs in der Brust der Frau sitzt und sie
auffrisst. Da habe ich beschlossen, dass ich solchen Frauen helfen will.
Sie hätten sich nach
dem Studium auch mit einer Frauenarzt-Praxis niederlassen können. Stattdessen
war ihr Ziel das Krankenhaus. Warum?
Der Klinikbetrieb, das ist meines, das wusste ich schon sehr
früh. Ich habe niemals überlegt, einen anderen Weg zu gehen. In so einem großen
Haus wie dem Klinikum Nürnberg hat man zudem alle Möglichkeiten, auch operativ.
Die Chirurgie hat mich sehr interessiert, eigentlich wollte ich Chirurgin
werden. Aber das war damals noch sehr schwierig für Frauen.
Das müssen Sie erklären
Es gab einfach noch viele Vorbehalte. Schon während der
Facharztausbildung war es so, dass die männlichen Kollegen in den OP durften
und ich in den Kreissaal geschickt wurde. Nach meiner Dissertation hatte ich
einen ersten Anlauf genommen, mich an einer Universitätsklinik in der Gynäkologie
zu bewerben. Aber als Frau hatte ich da keine Chance gegenüber den männlichen
Bewerbern. Erst nachdem ich mehrere Jahre im Ausland geforscht hatte, wurde ich
zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Nachdem ich mich 1997 in Gynäkologie und
Geburtshilfe habilitiert habe, wurde ich als C3-Professorin an die
Universitäts-Frauenklinik Ulm berufen. Dort konnte ich als Oberärztin dann eine
chirurgische Weiterbildung machen. Später war ich dann Geschäftsführende
Oberärztin am Uniklinikum in Ulm, bis sich 2005 die Chance ergab, als Ärztliche
Leitung die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg zu
übernehmen. Der Weg war also nicht leicht. Ich habe ihn aber nie bereut. Ich
wollte immer dort arbeiten, wo die Herausforderungen am größten sind.
Ist die gläserne
Decke der Grund, warum es bis heute so wenige Chefärztinnen gibt? Oder scheuen
viele Frauen den doch sehr fordernden Beruf?
Beides ist sicher ein Thema, auch wenn sich die Zeiten
mittlerweile deutlich geändert haben. Früher gab es fast nur Männer in
verantwortlichen Positionen, viele haben Frauen bestimmte Tätigkeiten einfach
nicht zugetraut. Heute sind Frauen in der Medizin nicht nur selbstverständlich,
sondern auch hoch willkommen, auch weil es immer weniger Männer gibt, die den
Arztberuf ergreifen wollen. Insofern haben sie es leichter. Lange Jahre war es
am Krankenhaus ein echtes Problem, eine medizinische Karriere mit Familie zu
vereinbaren, insbesondere mit Kindern. Es gab keine Teilzeitmodelle und keine Kinderbetreuung.
Wenn eine Ärztin während ihrer ersten Stelle, die meist befristet war, ein Kind
bekam, wurde ihr Vertrag nicht verlängert. Frauen, auch ich, mussten deshalb
auf vieles verzichten, um ihren Weg zu gehen. Das hat sich glücklicherweise
geändert. Wir sind froh, wenn die Frauen nach der Familienpause zu uns in die
Klink zurückkommen und unterstützen sie, wo es geht. Das ist auch eigennützig:
Schließlich haben wir in ihre Ausbildung investiert und brauchen sie. Dennoch
ist es so, dass auch immer wieder Frauen nicht zurückkommen, da für sie die
Doppelbelastung dann doch zu groß ist.
Wie sieht die Verteilung
in ihrer Klinik aus?
Derzeit sind im Kollegium rund zwei Drittel der
Mitarbeitenden weiblich, ein Drittel ist männlich. Es ist also umgekehrt zu
früher, es fehlen die Männer. Glücklicherweise haben wir in meiner Klinik eine
operativ-onkologische Ausrichtung, das weckt auch das Interesse von männlichen
Bewerbern, so dass aktuell in der Gynäkologie wieder mehr männliche Kollegen
arbeiten. Es werden seit Jahren aber insgesamt immer weniger männliche Bewerber.
Sie sprechen die
Medizin an. Die Geburtshilfe am Klinikum verzeichnet seit Jahren steigenden
Zahlen und auch als onkologisches Zentrum und in der innovativen
Beckenbodenchirurgie hat sich ihre Klinik einen hervorragenden Ruf erarbeitet.
Was macht das Portfolio aus und wohin wird es sich weiterentwickeln?
Seit ich die Klinik leite, hat sich die Zahl der Geburten
von 2000 auf fast 4000 erhöht, das ist natürlich ein großer Erfolg für das Team
der Geburtshilfe, das mit meinem Kollegen Dr. Wolfgang Köhler seit vielen
Jahren einen ganz tollen Geburtshelfer und Pränataldiagnostiker an der Spitze
hat. In der Gynäkologie sind wir ganz vorne dabei, was die robotische Chirurgie
betrifft, das ist ein absolutes Steckenpferd von mir, das ich in den nächsten
Jahren noch voranbringen will. Doch nicht nur bei Tumoren, auch im Bereich der
Beckenbodenchirurgie arbeiten wir seit Jahren sehr häufig minimal-Invasiv mit
tollen Ergebnissen, die Frauen sind selbst nach komplexen Eingriffen schnell
wieder fit und haben deutlich weniger Nachbeschwerden als früher. Für mich ist es auch nach tausenden Eingriffen
noch eine Herausforderung, es immer noch besser zu machen.
Seit zwei Jahren
arbeiten Sie mit einer komplett neuen OP-Methode, dem sogenannten UPS. Können
Sie kurz erklären, wo sie angewandt wird und welche Vorteile Sie hat?
UPS steht für unilaterale pectineale Fixation und ist eine
minimal-invasive Operation zur Korrektur der Beckenbodensenkung. Wir haben
diesen Eingriff gemeinsam mit dem Leiter der operativen Gynäkologie, Herrn
Prof. Bolovis etabliert. Der Eingriff wird meist mit dem daVinci OP-Roboter
durchgeführt und kann die normale Anatomie des Beckenbodens mit wenig Aufwand
und ohne Verwendung von Netzmaterial wiederherstellen. Der Eingriff wird die
Beckenbodenchirurgie in Deutschland grundlegend verändern.
Und dann planen Sie
noch ein besonderes Projekt, das Patientinnen die Chance geben soll, nach einer
komplizierten OP schneller wieder in ihr häusliches Umfeld zurückzukehren.
Können Sie dazu schon ein oder zwei Sätze sagen?
Wir möchten die Rahmenbedingungen eines stationären Aufenthalts an die Bedürfnisse der einzelnen Patientin besser anpassen. Aufgrund der neuen schonenden OP-Methoden, wie zum Beispiel die robotische Chirurgie, sowie der ausgezeichneten perioperativen Bedingungen können Patientinnen heute oft früher nach Hause, als es in unserem starren System vorgesehen ist. Daher setze ich mich auf allen Ebenen dafür ein, dass die Medizin in Deutschland für Frauen individueller und flexibler wird.
Vielen Dank für das
Gespräch!
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Mehr Informationen zum Angebot der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg gibt es unter https://m.klinikum-nuernberg.de/stationaere-angebote/klinik-fuer-frauenheilkunde-und-geburtshilfe-schwerpunkt/
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